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Biografie Helmut Nickel

Von Detlef Lorenz

Dr. Helmut Nickel wurde am 24. März 1924 in Quohren bei Dresden geboren. Sein Vater war der Direktor an der örtlichen Schule. Schon seit der Kindheit war eines der Hobbys von Helmut Nickel das Zeichnen. Im Alter von fünfzehn Jahren besuchte er deshalb einen Abendkursus an der Volkshochschule Dresden. Als Berufswunsch stellte sich bei ihm das Studium des Veterinärmediziners ein.

Eine entsprechende Weiterbildung verhinderte der 2. Weltkrieg. Mit achtzehn Jahren wurde er eingezogen und zuerst in den Osten, dann zur Invasionsfront versetzt. In belgische Kriegsgefangenschaft geraten kam er zuerst in ein Kohlenbergwerk. Später, als sein zeichnerisches Talent bekannt wurde, erleichterten sich die Bedingungen für ihn soweit, dass er Lagermaler wurde und Werbedias für das örtliche Kino malte. Für das Lagertheater dichtete und zeichnete er die Moritat vom Tigerhai, die aber nicht mehr zur Aufführung kam. Erst 2010 erfolgte dessen Veröffentlichung im Rahmen eines Sonderdruckes des Comicmagazines Die Sprechblase.

1947 erfolgte seine Repatriierung. Dort ersuchte er um ein Studium der Veterinärmedizin nach, aber die Behörden in der sowjetischen Besatzungszone verweigerten ihm als Angehörigen der Bourgeoisie die Erlaubnis. Mit der Gründung der Freien Universität in Berlin (West) übersiedelte er 1949 dorthin, aber als er auch da sein Wunschfach nicht belegen konnte - es gab keine entsprechende Fakultät - schrieb er sich in Ethnologie, präkolumbianischer Kultur und Kunstgeschichte, seinen anderen großen Leidenschaften, ein.

Zur Finanzierung des Studiums arbeitete er für ein Werbestudio und kam dort mit dem Comicverleger Gerstmayer in Kontakt. Dieser beabsichtigte 1953, am aufkommenden Comicboom zu partizipieren und suchte Zeichner. Er wollte historische Romane von Alexandre Dumas ("Die 3 Musketiere", "Der Graf von Monte Christo") in Comicfassung herausgeben. Nickels Sachverstand in Geschichte kam ihm sehr gelegen. Da sich der bisherige Zeichner der Western-Comicserie "Hot Jerry" dem Comic-Projekt "Robinson Crusoe" zuwandte, sprang Nickel ein und zeichnete ab 1954 Wild-West-Geschichten.

Zeitgleich entwickelte er "Die 3 Musketiere", kurz darauf die Piccoloreihe "Der Graf von Monte Christo" und Ende des Jahres 1954 die utopische Serie "Titanus" nach einer Romantrilogie von Claus Eigk. Parallel zu allem schuf er die Serie "Don Pedro", die Geschichte von der Eroberung des Aztekenreiches durch Hernando Cortez, die als Zweitserie in "Hot Jerry" integriert wurde.

Allen Serien war kein langer Herausgabezeitraum beschieden. Nickels Zeichnungen bestachen zwar durch einen perfekten Bildaufbau, gelungene Perspektiven und abwechslungsreiche Grafik, aber inhaltlich überforderten sie die damalige Leserklientel, Jugendliche im Alter von etwa acht bis vierzehn Jahren. "Zu textlastig! " war einer der Hauptkritikpunkte des Herausgebers. Erst als er sich Mitte 1955 (mit der Nummer 22) der Serie "Robinson" annahm - der bisherige Zeichner Willy Kohlhoff gab die Beschäftigung als Comiczeichner auf - hatte Nickel sich in das Metier eingefunden und zeichnete sie erfolgreich bis zur Ausgabe 102. "Robinson" war in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre die einzige erfolgreiche Konkurrenz zum Lehning-Verlag, der mit seinem Hauszeichner Hansrudi Wäscher den Comicmarkt beherrschte.

Zwischenzeitlich studierte Helmut Nickel und schloss 1958 mit magna cum laude ab. Anschließend wurde er bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angestellt. Seine Doktorarbeit "Das mittelalterliche Reiterschild des Abendlandes" beeindruckte den Vorstandsvorsitzenden des New Yorker Metropolitan Museum derart, dass er 1960 Helmut Nickel in Berlin aufsuchte und ihm den vakanten Posten des Kurators für die Abteilung Arms and Armor (Waffen und Rüstungen) anbot. Nickel nahm das Angebot an und siedelte mit seiner Ehefrau Hildegard nach New York um.

Zeitgleich machte ihm der Verleger Walter Lehning aus Hannover den Vorschlag, die "Winnetou"-Geschichten Karl Mays in eine Comicfassung umzusetzen. Karl May war eine der Lieblings-Jugendlektüren Helmut Nickels gewesen. Trotz seines Umzuges nach New York, der Übernahme des neuen Jobs, der Eingewöhnung in die fremde Umgebung und Kultur sagte er begeistert zu. In der Folgezeit produzierte er die bisher gelungenste Comicfassung "Winnetous", sowohl in den Charakteren, der Ethnologie, der geschichtlichen Einbettung und der Landschaftsdarstellung der Geschichten. Als der Finanztransfer aus Deutschland ausblieb und auch keine Belegexemplare kamen, hörte Helmut Nickel 1965 mit dem Comiczeichnen auf.

In seiner New Yorker Zeit schrieb und illustrierte Helmut Nickel mehrere Fachbücher, so u. a. das "Ullstein Waffenbuch". Im Herbst 1988 ging er in Pension; das Ehepaar Nickel übersiedelte nach Florida. Hier wirkte Helmut Nickel bald in der ortsansässigen Historical Society und war wesentlich am Aufbau eines Museums der vorkolumbianischen Kultur der Calusa-Indianer beteiligt. Außerdem engagiert sich das Ehepaar Nickel im örtlichen Naturschutz. Sie sind u. a. an der Registrierung und alljährlichen Zählung der Manatees, einer friedlichen, sanften aber bedrohten Seekuhart, beteiligt.

In Deutschland wurden Nickels Comicarbeiten seit den siebziger Jahren "wiederentdeckt". Es erschienen Artikel in Comic-Fachmagazinen, so 1976 der erste dieser Art in der Comixene von Detlef Lorenz und 1989 in der "Sprechblase" ein umfangreiches Dossier von Gerhard Förster und Detlef Lorenz. Anlässlich einer Werkschau von Comics in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main (2008) erhielten die Serien Helmut Nickels eine Extravitrine - die Comics waren gesellschaftsfähig geworden.

Im Juni 2011 erhielt Helmut Nickel anlässlich des Münchener Comicfestivals den PENG!-Preis für sein Comic-Lebenswerk - eine schon lange verdiente Ehrung.

Oben Helmut Nickel bei der Entgegennahme des PENG-Preises, flankiert von Detlef Lorenz, der den Zeichner auf seiner München-Reise betreute und zusammen mit Ralf Palandt die Ausstellung kuratiert hatte. Rechts die Moderatorin und der Festival-Veranstalter Heiner Lünstedt (Foto: Brigitte Döhler).

 
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